Wie sieht eine Geburt mit dietätisch eingestelltem Gestationsdiabetes aus, Frau PD Dr. med Mandy Mangler?
Wie eine Geburt verläuft, kann niemand vorhersehen, das ist klar. Geburten sind individuell und müssen auch so betrachtet werden. Eine Schwangere mit Gestationsdiabetes (GDM) wird dennoch in der Vorbetreuung öfter mal mit den Worten Einleitung oder Kaiserschnitt konfrontiert werden. Das kann ganz schön verwirrend und auch beängstigend sein. Zeit für Aufklärung, also! Die Chefärztin der Gynäkologie des Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin Dr. Mandy Mangler (auch bekannt durch den Podcast “Gyncast” und ihren Instagram-Account “Gyn Magazin”) sowie der Oberarzt Dr. Tino Hentrich und die leitende Hebamme Claudia Rheinbay haben sich Zeit genommen und erklären im Interview, was bei einer Geburt mit einem diätetisch eingestellten Gestationsdiabetes zu beachten ist. Spannend hierzu ist auch die Patientinnen-Leitlinie Gestationsdiabetes (hier).
Darf sich eine Schwangere mit Gestationsdiabetes ihr Geburtskrankenhaus noch selbst aussuchen?
Dr. Tino Hentrich: Jein. Denn die Betreuung im Krankenhaus richtet sich sehr stark nach der Schwere des Gestationsdiabetes. Das bedeutet, wenn eine Schwangere einen insulinpflichtigen Schwangerschaftsdiabetes hat, dann muss sie in einer Klinik mit angeschlossener Kinderklinik entbinden. Eine Schwangere, die mit einer Diät ihren Blutzucker gut senken konnte, kann auch in einer Klinik ohne angeschlossene Kinderklinik entbinden, zum Beispiel in unserer.
Verläuft die Geburt bei einer Schwangeren mit diätetisch eingestelltem Gestationsdiabetes anders als ohne?
Dr. Tino Hentrich: Nein. Unter der Geburt muss man bei leichteren Fällen von Schwangerschaftsdiabetes keine speziellen Untersuchungen machen. Man muss natürlich immer ein bisschen vorsichtig sein, wenn Situationen auftreten, die man im Vorfeld nicht erwartet.
Claudia Rheinbay: Ich bin seit 1988 Hebamme, also seit 33 Jahren. Ich habe bisher noch nie erlebt, dass irgendwas Besonderes dabei passiert ist, außer, dass die Schwangere im Vorfeld sehr aufgeregt war.
Aber was ist denn mit den Gefahren durch den Gestationsdiabetes, von denen man immer hört, wie zum Beispiel ein zu großes oder schweres Kind oder zu viel Fruchtwasser?
Claudia Rheinbay: Ich komme noch aus der alten Schule, wo Gestationsdiabetes ein wichtiges Prüfungsfach war. Und ja, es ist gekoppelt mit zu viel Fruchtwasser und eventuell auch Veränderungen beim Kind. Und genau das will man ja vermeiden und genau das kann man auch vermeiden. Mit der richtigen Ernährung. Da hat sich unheimlich viel getan. Dadurch, dass die Erkrankung schon früh mit dem oralen Glucosetoleranztest erkannt wird. Und auch dadurch, dass die Frauen im Vorfeld gute Informationen von DiabetologInnen bekommen. Aber auch, dass sie die Möglichkeit haben, mit ihrem eigenen Blutzuckermessgerät ihren Blutzucker zu kontrollieren und dann nachzujustieren, wenn nötig.
Dr. Mandy Mangler: Wenn man gute Blutzuckerwerte hat, dann macht es für das Baby im Bauch nur einen ganz minimalen Unterschied, ob die Mutter Gestationsdiabetes hat, oder nicht. Sie kann dann so gebären wie jede andere Schwangere.
Darf eine Frau mit GDM unter der Geburt eine Saftschorle trinken oder einen Müsliriegel essen, Dinge, die sie sich wochenlang versagt hat?
Claudia Rheinbay: Das ist kein Problem, der Körper sagt einem unter der Geburt, was er braucht. Dann kann man auch einen Müsliriegel essen oder eine Apfelschorle trinken. Die meisten Frauen verspüren aber unter der Geburt keinen Hunger.
Wird die Geburt bei Frauen mit Gestationsdiabetes denn öfter eingeleitet?
Dr. Tino Hentrich: Nein. Es gibt keine medizinische Indikation, die Geburt einer Frau mit einem stabilen Blutzucker früher einzuleiten. Sicherlich ist man aber vorsichtiger. Die Empfehlung lautet, sieben, eher zehn Tage nach dem errechneten Termin (ET) einzuleiten. Wenn nun eine Frau gerne 12 oder sogar 14 Tage warten möchte, dann wäre man vorsichtiger. Denn rein medizinisch überwiegen die Vorteile einer Geburtseinleitung dann. Einen Unterschied gibt es aber schon: Bei einer Terminüberschreitung wird auf jeden Fall ein CTG geschrieben zu den Kontrollterminen, das muss man bei Schwangeren ohne GDM nicht unbedingt.
Was passiert nach der Geburt? Muss hier speziell auf etwas beim Säugling geachtet werden?
Claudia Rheinbay: Ja. Denn die Kinder können eine Kohlehydratemast gewohnt sein. Deshalb muss überprüft werden, wie hoch der Blutzucker beim Säugling ist. Man misst eine und drei Stunden nach der Geburt. Und das ist ganz faszinierend, weil die Blutzuckerwerte, die ich gemessen habe, alle sehr gut waren. Außer ein einziges Mal, in einem anderen Krankenhaus. Dort wurde die Mutter gleich nach dem Kaiserschnitt in einen Aufwachraum gebracht. Das Kind durfte nicht mit. Und so konnte es nicht nach der Geburt direkt angelegt werden. Das ist aber sehr wichtig, um die Vormilch, das Kolostrum, zu bekommen. Deshalb ist der Blutzucker des Kindes abgestürzt. Von daher bin ich sehr froh, dass hier Mutter und Kind immer zusammengelassen werden. Weil Bonding eben keine Spielerei ist, sondern medizinisch wichtig für die Mutter und das Kind. Zusätzlich empfiehlt es sich vor der Geburt schon Kolostrum zu gewinnen.
Und wie sieht es bei der Mutter aus?
Claudia Rheinbay: Wie lange man nach der Geburt den Blutzucker messen soll, hängt davon ab, ob man einen insulinpflichtigen Schwangerschaftsdiabetes hatte oder nicht. Bei dem Diätischen braucht man danach gar nicht mehr messen, weil der Grund für die leicht erhöhten Werte, die Schwangerschaftshormone, erstmal wegfällt. Wenn eine Frau Insulin gespritzt hat, sollte einige Tage nach der Geburt noch der Blutzucker gemessen werden. Dennoch wird allen Frauen empfohlen, sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt den großen Blutzucker-Glucose-Toleranztest zu wiederholen.